Die Wendung im Klimajahr 2021
Es schmerzt uns, das einzugestehen, aber 2021 war auch ein Jahr, in dem wir an unseren eigenen Ansprüchen gescheitert sind.
Was hatten wir gelernt auf unserer Reise?
Dass es wichtig ist, sich in Krisenzeiten mehr Raum zu lassen. Eine Pandemie, eine Klimawahl, in der das Klima zu kurz kam, riesige Überschwemmungen in Raphaels Heimat – so etwas wegzustecken ist keine Selbstverständlichkeit, und fast unmöglich, wenn wir leben, wie wir es gelernt haben: ständig im Sprint, davon ausgehend, dass wir Maschinen sind, und die Welt ein Uhrwerk, das verlässlich tickt. Und ja, es stimmt: die Zeit läuft, nach der Pandemie ist vor der Klimakrise, und dahinter lauert schon das große Artensterben. Wir haben keine Minute zu verlieren – könnte man meinen – doch wie schreibt der Philosoph Bayo Akomolafe:
„Times are urgent, lets slow down.“
Ein Satz, der uns auf unserer Reise begleitet hat, den wir seitdem versucht haben zu leben, was uns mal mehr, und mal weniger gelungen ist. Besonders nach der Veröffentlichung des Buches wollten wir zu viel auf einmal, haben uns mitreißen lassen von der Flut der Anfragen und den Aufgaben vor der Klimawahl.
Irgendwo zwischen Premiere, Presseinterviews und Lesereise merkten wir: Wir brauchen Abstand vom Projekt. Im Augenblick des Erfolgs blieb uns nichts anderes übrig, als eine Pause einzulegen, in den Rückzug zu gehen, das Buch und auch diesen Newsletter ruhen zu lassen.
Eine zweite Erkenntnis, die uns seit der Reise begleitet, ist aber auch, dass wir Krisen nicht alleine bewältigen müssen.
„Whatever the problem, community ist he answer“, sagt Margaret Wheatley.
Und die Wahrheit dieses Satzes durften wir erleben, als wir aufgefangen wurden von den Netzwerken, Communities und Kollektiven, die wir in den vergangenen Monaten und Jahren mitaufgebaut haben, die uns geholfen haben, zum Ende des Jahres hin wieder festeren Boden unter den Füßen zu spüren.
Und jetzt mit etwas Abstand können wir auch die Erfolge sehen.
Der Verlag schickte uns vor einigen Tagen eine Presseschau, und wir waren überrascht, wie viel dann doch passiert ist, während sich die Tage schwer anfühlten: ein Essay über unsere Erfahrungen im SPIEGEL, eine Titelgeschichte im Freitag, Interviews und Rezensionen in der GEO, bei der Stuttgarter und der Süddeutschen Zeitung, viel, viel Liebe aus unserer Insta-Crowd.
Ähnlich gemischt wie der persönliche, fühlt sich auch der allgemeine Rückblick aufs Jahr an: die weltweite Durchschnittstemperatur stieg weiter, knapp zweihundert Tote in Westdeutschland, unzählige weitere vor allem im Globalen Süden. Doch 2021 ist auch das Jahr in dem 1,5-Grad nicht nur politische Absichtsbekundung blieb, sondern zur Grenze wurde, hinter die niemand mehr zurückkommt – nicht Politiker:innen, nicht Wirtschaftsbosse und auch nicht unsere Medienhäuser.
Für uns kündigt sich auch deshalb neuer Mut an.
2022 wird das Jahr, in dem es nicht mehr nur darum gehen wird, zu erklären, was die Klimakrise ist, sondern auch zu beschreiben, wie wir sie überwinden können.
Einer der Orte, der für uns dabei noch wichtiger werden wird: Das Netzwerk Klimajournalismus, das wir im Sommer mitgegründet haben. Die wöchentlichen Calls mit dem Kernteam sind meist so witzig und liebevoll, wie sie inspirierend sind, und die Resonanz auf unsere monatlichen Online-Konferenzen und öffentlichen Aktionen zeigt uns: Veränderung ist nicht nur möglich, in rasendem Tempo passiert sie derzeit auch.
Unser Buch rezensierte die wunderbare Ute Scheub in der taz mit folgenden Sätzen:
„Ein ungewöhnlicher Reisebericht. Ungewöhnlich nicht nur wegen der Schauplätze, sondern auch wegen der subjektiven Form. Die beiden machen sich als Personen nicht unsichtbar, wie es sonst im Journalismus üblich ist. Sie bringen sich mit Haut und Haaren und allen Ich-Empfindungen und Gefühlen ein. Und analysieren dabei auch die Verschränkungen von Rassismus und Sexismus mit der Klimakrise.“
Wir glauben, dass dieser Ansatz weiterhin richtig ist, werden zusätzlich einen Fokus darauf legen, wie Veränderung funktioniert, und wie die bessere Welt aussehen könnte, die uns erwartet. Eine Vorahnung haben wir.
In welcher Form und in welchen Konstellationen wir das machen werden, wissen wir noch nicht genau, aber dann hoffentlich in einer Art, die dem Leben in Krisenzeiten entspricht und immer in dem Wissen: Diese Reise am Puls der Erde machen wir nicht allein, sondern auch weiterhin gemeinsam mit vielen, vielen anderen.
Theresa & Raphael